"XY gelöst"-Kriminalpsychologin Lydia Benecke: "Ich traue Menschen alles zu" (2024)

Lydia Benecke liefert als Kriminalpsychologin bei "XY gelöst" Einblicke in die Psyche der Staftäter:innen. Im Interview mit GALA hat sie offenbart, wie sie an die Fälle herangeht und wie sie es schafft, die grausamen Taten von ihrem Privatleben zu trennen.

Lydia Benecke, 41, und Moderator Sven Voss, 47, arbeiten gemeinsam an der ZDF-True-Crime-Reihe "XY gelöst". Zwar nehmen die beiden ganz unterschiedliche Rollen in dem Format an, doch ihre Sympathie und Empathie füreinander wird im GALA-Interview schnell deutlich.

"Ich schätze an Lydia, dass sie so viel weiß und es schafft, mir als Psychologielaien so viel zu erklären. Das ist so wichtig für unser Format", erklärt der ZDF-Moderator. Wie unterschiedlich Voss und Benecke mit den Fällen von "XY gelöst" umgehen, und welchen Rat Lydia Benecke an alle True-Crime-Fans hat, erfahren Sie hier.

"XY gelöst"-Kriminalpsychologin Lydia Benecke: "Ich hätte diesen Beruf nicht gewählt, wenn ..."

Frau Benecke, als Kriminalpsychologin haben Sie Straftaten und den Abgrund des Menschen zu Ihrem Beruf gemacht. Gelingt es Ihnen, nicht nur das Böse im Menschen zu sehen?

Lydia Benecke: Ich habe schon immer gewusst, dass Menschen zu schrecklichen Dingen in der Lage sind. Mit elf fing ich an, Medienberichte über echte Kriminalfälle zu sammeln und Bücher darüber zu kaufen. Ich habe auch schon in der Schulzeit in jedem Aufsatz, bei dem man sich das Thema frei aussuchen konnte, über Verbrechen geschrieben. Ich habe meine Facharbeit in der Sekundarstufe I anhand von Fachliteratur über "Kinder, die töten" geschrieben.

Das heißt, ich wusste immer, dass Menschen Verbrechen begehen. Ich denke aber nicht die ganze Zeit darüber nach, dass statistisch betrachtet die Wahrscheinlichkeit von meinem nahen Umfeld getötet zu werden, deutlich höher ist als von einer fremden Person. Das ist mir klar, aber das belastet mich nicht. Weil es statistisch gesehen im Gesamtbild immer noch sehr unwahrscheinlich ist. Trotzdem traue ich Menschen prinzipiell alles zu, weil ich weiß, dass alle Straffälligen, mit denen ich gearbeitet habe, auch Angehörige hatten, die gesagt haben: "Das hätte ich niemals erwartet." Trotzdem bin ich in der Lage das differenziert zu sehen, Freundschaften und eine schöne Zeit zu haben, ohne immer daran zu denken.

Sven Voss: Bei mir ist es so, seitdem ich mich durch die Sendung vermehrt mit Verbrechen beschäftige, bin ich nicht ängstlicher, aber auf jeden Fall aufmerksamer. Ich denke, ein Problem ist, dass wir nicht genug aufeinander Acht geben – innerlich wehre ich mich dagegen. Ich hoffe, dass wir alle etwas aufmerksamer werden und auf uns und unsere Umgebung achten. Ich glaube auch, dass dadurch viele Verbrechen verhindert werden können und es potenziellen Verbrechern schwerer macht.

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Gab es je einen Fall, bei dem Sie dachten: Damit kann ich mich nicht auseinandersetzen?

Sven Voss: Nein, in der Tat noch nicht. Fälle, in denen Kinder betroffen sind – und da haben wir in der aktuellen Staffel zwei Fälle, wo es um verschwundene, getötete Kinder geht – die rücken einem sehr nah. Bei mir als Familienvater – meine Kinder sind 12 und 16 – da gehen mir natürlich viele Dinge durch den Kopf, wenn ich über so ein Verbrechen berichte. Aber auf der anderen Seite hilft es mir und meiner Familie auch etwas wacher durch den Alltag zu gehen.

Lydia Benecke: Das ist wahrscheinlich die häufigste Frage, die wir gestellt bekommen. Was interessant ist, weil es bedeutet, dass vor allem der persönliche Umgang mit solchen Fällen fasziniert, da die meisten Menschen sich denken, dass es belastend sein muss.

Sven Voss: Durch die Häufung an True-Crime-Formaten bekommt man den Eindruck, täglich werden in Deutschland Kinder umgebracht. Da muss man aufpassen, dass man nicht nur diese mediale Häufung von Fällen ein verzerrtes Bild bekommt. Bei verschwundenen Kindern, das sagen Komissar:innen und Polizisten, die tauchen in der Regel zu 99 Prozent innerhalb von 24 Stunden wieder auf.

Lydia Benecke: Das ist so wichtig zu betonen! Dadurch, dass mein kompletter Berufsalltag mit Verbrechen zu tun hat, ist meine Antwort auf die Frage noch etwas anders: Da ich sowohl in der praktischen Arbeit mit Straffälligen als auch im Bereich der Wissenschaftskommunikation zum Thema Kriminalpsychologie einen Großteil meiner Zeit mit der Betrachtung von Verbrechen verbringe und meine Beschäftigung mit dem Thema auch schon in meiner Schulzeit begann, habe ich mich früher gewundert, weshalb Menschen mir diese Frage stellen. Inzwischen kann ich besser nachvollziehen, warum Menschen, die nicht beruflich mit Verbrechen zu tun haben, sich diese Frage stellen.

Ich hätte diesen Beruf mit Straffälligen nicht gewählt, wenn ich eine Belastung empfunden hätte. Während des Studiums machte ich ein Praktikum, in der Institution, in der ich bis heute auch tätig bin. Andere Menschen haben dort auch ein Praktikum gemacht und danach gesagt: "Ich interessiere mich für True Crime, habe aber jetzt gemerkt, dass jeden Tag hier zu sitzen und mit Menschen zu arbeiten, die schwere Verbrechen begangen haben, doch etwas anderes ist und das möchte ich nicht." Die Beschäftigung mit True Crime ist etwas völlig anderes als mit straffälligen Menschen über lange Zeiträume daran zu arbeiten, wieso sie das getan haben und wie sie sich verändern müssen, um es nicht wieder zu tun. Bei mir war die emotionale Reaktion schon immer eine andere, weil ich das sehr abstrakt sehe. In meinem Beruf muss man in der Lage sein, Fälle mit ihren Faktoren
abstrakt zu betrachten und sich davon emotional abgrenzen zu können. Kann man das nicht, würde man diesen Beruf nicht gut ausüben können.

Sven Voss: Und ich würde diesen Beruf nicht machen, wenn es kein journalistisches Format wäre. Sprich: Wenn wir nicht auch eine gesellschaftliche Relevanz hätten, weil wir über Fälle reden – Gewalt an Frauen, Gewalt an Kindern – dann würde ich das auf keinen Fall machen.

Die True-Crime-Reihe "XY gelöst" mit Sven Voss wird am 29. Mai 2024 ab 20:15 Uhr in Doppelfolge im ZDF ausgestrahlt. In der ZDFmediathek sind alle vier Folgen der aktuellen Staffel jederzeit abrufbereit.

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